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Sehen und gesehen werden

    Sehen und gesehen werden

    Die dreijährige Dascha und ihre Mutter wohnen in einem kleinen Zimmer am Stadtrand von Polozk. Das kleine Mädchen sieht sehr schlecht und schielt, der Augenarzt in der Kinderpoliklinik rät der alleinerziehenden Mutter, die Kleine im Kindergarten 24 anzumelden.

    Lange hat Daschas Mama gezögert, ihre Tochter in diesen Kindergarten zu bringen – der weite Weg, ihre Schichtarbeit… aber irgendwann war es dann doch so weit. Die Erzieherinnen erinnern sich gut: ganz blass und „dünn wie ein Strohhalm“ war das kleine Mädchen, als es zum ersten Mal in den Kindergarten kam. Sie weinte viel, ließ sich kaum berühren, lief sehr langsam – schnell war klar, dass Dascha viel Aufmerksamkeit, menschliche Wärme und Fürsorge braucht. Ganz abgesehen von der tagtäglichen Behandlung mit dem Synoptophor (Stereoskop zur Untersuchung der Bewegungs- und Funktionskoordination der Augen und zur Schielbehandlung) im Behandlungszimmers des Kindergartens.

    Die ersten Fortschritte stellten sich ein, irgendwann begann Dascha zu lächeln, ihre Wangen färbten sich rosa und am Ende des Kindergartenjahres verbesserte sich Dank der Behandlung auch ihr Sehvermögen. Inzwischen ist Dascha ein Schulkind, ein gutes. Ihr Schielen wurde vollständig korrigiert und Dascha tanzt in einem bekannten Kinderensemble der Stadt.

    Der Kindergarten Nr. 24 ist nicht nur so etwas wie ein Kompetenzzentrum für Sehbehinderung und -einschränkungen im Vorschulalter, sondern enorm wichtig für die kleinen Menschen, die sich ans „Leben herantasten“ müssen.

    Fürsorge und Therapie sind die Bausteine, mit denen im Kindergarten 24 viel für die Mädchen und Jungen getan wird. Um die Kinder regelmäßig untersuchen zu können, bedarf es besonderer Geräte – aber die, die es im Kindergarten Nr. 24 gibt, sind schon mehr als in die Jahre gekommen und entsprechen nicht im Mindesten den heutigen Anforderungen. Das haben Elvira Müller, Vorsitzende des Freundeskreises Polozk, und Andrea Kerler-Wicker bei ihrem Besuch im Herbst 2021 auf den ersten Blick erkannt und gemeinsam mit dem Vorstand beschlossen, den Weihnachts-Spendenaufruf 2021 „Sehen & gesehen werden“ zu starten.

    Helfen Sie mit, damit diese Kinder sich „früh ans Leben herantasten“ können.

    Herzlichen Dank – Freundeskreis Polozk – Elvira Müller & Susann Ganzert

    Ihre Spende wird von uns direkt und in voller Höhe an den Kindergarten Nr. 24 in der Partnerstadt Polozk geleitet. Als Verwendungszweck geben Sie bitte „Sehen & gesehen werden“ an.

    IBAN DE19 6905 0001 0020 3568 87 Sparkasse Bodensee

    IBAN DE31 6519 1500 0101 9220 00 Volksbank Friedrichshafen-Tettnang eG

    Sehen und gesehen werden
    Sehen und gesehen werden

    Die Geschichte von Dascha Schamenok, die den Kindergarten Nr. 24 in Polozk besuchte

    Bericht der Erzieherin, Irina Petrowna

    In den Kindergarten kam Dascha mit 3 Jahren im September 2016. Sie hatte seit ihrer Geburt schlechtes Sehvermögen und schielte. Ihre Mutter, die sie in den Kindergarten brachte, alleinerziehend, arbeitet in einer Werksküche. Ihr Vater hat sie und ihre Mutter verlassen, als sie gerade 6 Monate alt war; er ist arbeitslos, Alkoholiker und zahlt keinen Unterhalt fürs Kind. Dascha und ihre Mutter wohnen in einem Wohnheim am Stadtrand, in einem kleinen Zimmer, das ihnen seitens der Firma, in der die Mutter arbeitet, befristet zur Verfügung gestellt wurde.
    Der Augenarzt in der Kinderpoliklinik hat dringend dazu geraten, unseren Kindergarten auszuwählen, da wir für Kinder mit Seheinschränkungen Spezialgruppen bilden, in denen sie von speziell geschultem Personal zusätzlich gefördert und kostenlos behandelt werden. Lange hat die Mutter dies abgelehnt mit der Begründung, dass es für sie zu kompliziert sei, mit überfüllten öffentlichen Transportmitteln ins Stadtzentrum zu gelangen, außerdem arbeitete sie im Schichtbetrieb. Dennoch ist es dem Augenarzt gelungen, zu Daschas Glück, die Mutter davon zu überzeugen, dass die Möglichkeit, Sehvermögen zu verbessern, sehr viel wichtiger sei, als die zeitlichen Unwägbarkeiten.
    Ich kann mich noch daran erinnern, wie Dascha zum ersten Mal in unsere Gruppe kam. Ganz mager, blass, dünn, wie ein Strohhalm. Sie schaute die ganze Zeit nach unten, schreckte bei jeder sogar nur leichten Berührung auf und sprach kaum. Wenn sie geweint hat, dann war es wie ein Flüstern. Und gelaufen ist sie sehr langsam und vorsichtig, als ob sie sich vortasten müsste. Mir war sofort klar, dass dieses Kind viel Aufmerksamkeit, menschliche Wärme und Fürsorge benötigt. Und so begannen wir mit unserer Arbeit. Jeden Tag hat die Krankenschwester eine Behandlung mit Synoptophor durchgeführt, die im Krankenzimmer im Kindergarten stattfand. Ein Arzt und ein Psychologe haben Dascha individuell behandelt. Und wir Erzieherinnen haben in der Gruppe für Kinder mit Seheinschränkungen Dascha dabei unterstützt, die Schönheit der Welt zu erkennen, jeden Schritt sicher zu setzen, über eigene Gefühle und Erfahrungen zu sprechen, Gefühle, Sorgen und Liebe nahestehender Personen wahr- und -anzunehmen und, natürlich, zu lächeln. Nach einigen Monaten harter Arbeit färbten sich Daschas Wangen rosa und manchmal erschien gar ein leichtes Lächeln. Nach und nach ließ sie sich an der Hand führen und umarmen. Dennoch hob sie immer noch nicht den Blick und ging sehr langsam, vorsichtig, in Hab-Acht-Stellung. Gegen Ende des ersten Kindergartenjahres verbesserte sich auch das Sehvermögen von Dascha dank ärztlicher Behandlung.
    Und so kam es dann an einem ungemütlichen Herbsttag, dass Dascha zu mir kam, meine Hand nahm und mir in die Augen blickte. Was für unglaublich schöne hellblaue und tiefe Augen sie hat! Wie viel Wärme und echte Dankbarkeit sie ausstrahlten! Sie hielt meine Hand ganz fest, schaute mir fest in die Augen und sagte deutlich und klar: „Ich träume davon, tanzen zu lernen! Ich möchte auf der Bühne so leicht wie ein Vogel wirken!“ An diesem Tag haben wir Dascha im Tanzkreis unseres Kindergartens angemeldet.
    Die Kindergartenzeit endete für Dascha letztes Jahr. Sie kann nun gut sehen, das Schielen wurde vollständig korrigiert.
    Derzeit besucht Dascha die Schule und ist eine gute Schülerin. In ihrer Freizeit ist sie Tänzerin in einem bekannten Kinder-Tanzensemble unserer Stadt. Ich glaube fest daran, dass Daschas Traum, auf einer großen Bühne zu tanzen, eines Tages in Erfüllung geht und wir sie dort bewundern werden.


    Artjom Katuschonka, der den Kindergarten Nr. 24 in Polozk besuchte

    Die Mutter Tatjana erzählt:

    Mein Mann Leonid und ich erwarteten voller Freude unser erstes Kind. Wir erwarben eine großzügige Wohnung in einem neuen Wohnviertel der Stadt, statteten das Kinderzimmer aus, tapezierten das Zimmer mit Flugzeugtapeten, da wir wussten, dass es ein Junge wird.
    Doch die Geburt verlief schwer, unser Sohn Artjom musste viele Geburtstraumata erleiden, darunter wurde auch sein Sehvermögen stark beeinträchtigt. Nach der Geburt war er lange in Behandlung und danach dachten wir, dass das Gröbste überstanden ist. Jedoch fiel es meinem Mann und mir immer wieder auf, dass Artjom kaum auf Veränderungen im Raum reagierte. Wenn wir lächelten, antwortete er selten mit Lächeln und bewegte sich immer nur sehr vorsichtig. Wir wendeten uns erneut an Ärzte. Ihre Diagnose versprach nichts Gutes, es wurde jeden Tag schlimmer. Das Sehvermögen unseres Sohnes nahm rapide ab. Die Ärzte warnten uns, dass die Folgen leider unumkehrbar sein würden, und rieten zu einer Operation. Jede Nacht weinte ich am Bett meines Sohnes, weil ich befürchtete, dass er nie die schönen Farben dieser Welt zu sehen bekäme, dass er nicht mal die Flugzeuge auf den Tapeten seines Zimmers erkennen würde, dass er nie das schöne Lächeln seiner Mutter sähe.
    Der Augenarzt in der Poliklinik empfahl uns den Kindergarten in der Stadt, in dem Fördergruppen für sehbehinderte Kinder gebildet werden, die auch mit entsprechenden Geräten ausgestattet sind und wo tägliche Therapie und intensive Behandlung durch geschultes Personal ermöglicht wird. Voller Hoffnung und Wünsche haben wir Artjom dahingebracht, denn mein Mann und ich mussten nun viel arbeiten, um das Geld für die Operation bezahlen zu können. Da waren wir froh, dass unser Sohn viel Fürsorge und Aufmerksamkeit durch die Mitarbeiter im Kindergarten bekommen und sogar jeden Tag medizinisch behandelt wird. Und dann, als durch den Synoptophor im Laufe des ersten Jahres eine Besserung angezeigt wurde, kannte unsere Freude keine Grenzen! Die OP wurde ärztlicherseits nicht mehr angeraten, stattdessen befürworteten sie tägliche Therapiesitzungen und Behandlung im Kindergarten.
    In den nächsten 2 Jahren gab es große Fortschritte, und bei Artjoms Eintritt in die Schule betrug seine Sehstärke 0,8-0,9, das heißt sie lag im Normalbereich, von einer Fehlstellung der Augen war gar keine Rede mehr. Er muss zwar noch eine Brille tragen, doch irgendwann, und da bin ich mir ganz sicher, wird er auch sie nicht mehr brauchen. Mein Sohn ist ein guter Schüler, er hat viele Freunde, die Lehrer sind voll des Lobes, wie aufmerksam Artjom ist, wie viel er um sich herum wahrnimmt.
    Und gestern sagte mein Sohn zu mir: „Liebe Mama, wenn ich groß bin, werde ich Pilot. Dann steuere ich mein Flugzeug ganz-ganz hoch in den Himmel, von dort, von ganz hoch oben, werde ich dann sehen, wie Du mir zulächelst und wie stolz Du auf mich bist. Denn Dein Lächeln ist das schönste der Welt!“


    Sollten Sie Fragen zur Spendenaktion 2021 oder zum Kindergarten Nr.24 in Polozk haben, können Sie diese gerne an unsere Vorsitzenden (Kontakt) stellen. Sie können auch gerne auf dieser Seite Ihre Meinung hinterlassen.


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